Der Artikel erschien erstmalig im SchmalspurInfo 3/2016.
Die Museumseisenbahn Mesendorf – Lindenberg
Der Bahnhof Mesendorf liegt am Kilometer 9,00 der ehemaligen Kleinbahn Lindenberg – Pritzwalk und ist heute der Betriebsmittelpunkt der Museumseisenbahn. Zwischen den Fahrtagen werden hier die Fahrzeuge abgestellt und repariert. Die Bahnanlagen wurden bei ihrem Wiederaufbau den betrieblichen Anforderungen angepasst und verfügen heute neben dem Umlaufgleis auch über drei zusätzliche Gleise zum Abstellen von Fahrzeugen. Am Ende des hinteren Abstellgleises wurde eine Rampe zum Verladen von Fahrzeugen errichtet. In Höhe des ehemaligen Bahnsteiges befinden sich jetzt ein Wasserkran und eine kleine Grube zum Ausschlacken. Bei den Dampflokeinsätzen erhalten die Lokomotiven hier über ein Förderband ihre Kohlen. Unmittelbar dahinter wurde im Dezember 2005 mit der Errichtung einer Unterstellmöglichkeit für die Fahrzeuge begonnen, auf dessen zwei Gleisen mit einer Gesamtlänge von 40 Metern einige Museumsfahrzeuge witterungsgeschützt abgestellt werden können. Dieser Fahrzeugunterstand ist inzwischen zu einem Lokschuppen ausgebaut worden und wurde im Juli 2014 feierlich eröffnet. (Bild 2)
Oberhalb des Bahnhofes befinden sich eine Informationstafel und ein Parkplatz für die Besucher der Museumseisenbahn, von wo aus der heutige Bahnsteig über einen Überweg bequem erreicht werden kann. Ausgestattet ist dieser mit einer historischen Beleuchtung, einem Zugzielanzeiger – dem so genannten „Hampelmann“ – welcher ein Original vom Bahnhof in Kyritz ist, Sitzgelegenheiten und vielen historisch sehenswerten Details. In einem ehemaligen sächsischen Gepäckwagen, der gegenüber vom Bahnsteig steht, befindet sich ein an den Fahrtagen geöffneter Souvenirshop mit zahlreichen Angeboten rund um das Thema Eisenbahn. Mittlerweile hat sich die Lok vor den Zug gesetzt und auf dem Bahnsteig begleitet hektisches Treiben die Zeit vor der Abfahrt. (Bild 1)
Schnell noch die Fahrkarten gekauft – dann ist der Zeitpunkt der Abfahrt erreicht: Pünktlich setzt sich der Zug mit einem leichten Ruck in Bewegung. Nachdem er die letzte Weiche passiert hat, beginnt eine lange Steigung, bei der die kleinen Diesellokomotiven stets kräftig gefordert werden. Am Ende des Einschnittes rückt die Strecke näher an die Bundesstraße nach Havelberg heran. Vorbeifahrend an Feldern und weidenden Kühen erreicht der Zug nach etwa 800 Metern den höchsten Punkt des einstigen Streckennetzes (96,8 m über NN) worauf eine Tafel auf der linken Seite in Fahrtrichtung aufmerksam macht. (Bild 3)
Hinter diesem „Höhepunkt“ nimmt der Diesellokführer das Gas weg, die nun folgende Fahrt bergab regelt er bis zum nächsten Halt mit der Druckluftbremse. Gemächlich schaukelnd und wippend erreicht der Zug nach weiterer Fahrt – ca. 1 km parallel zur Straße – den Haltepunkt Klenzenhof. Der Zugführer betritt hier den Bahnsteig und ruft den Stationsnamen aus. Nur selten steigen hier Fahrgäste zu, da der Ort, der dem Haltepunkt den Namen gibt, ein ganzes Stück weiter entfernt liegt. (Bild 4)
Früher war hier auch ein Ladegleis vorhanden. Gut zu erkennen ist am Ende des Bahnsteiges noch die gepflasterte Ladestraße. Der Zug setzt seine Fahrt langsam fort und verschwindet nach einem Linksbogen in einem Einschnitt. Jetzt betritt der Schaffner das Abteil und bittet freundlich um die Fahrkarten. Kinderaugen werden größer und betrachten ehrfurchtsvoll den Mann in seiner historischen Reichsbahn-Uniform. Landschaftlich zeigt sich nun die Prignitz von ihrer schönsten Seite. (Bild 5)
Fernab der Landstraßen wechseln sich Kiefern- und Laubwälder und Äcker ab, Feldwege kreuzen die Bahntrasse und der Blick aus dem Abteilfenster gibt immer neue Ansichten der Landschaft frei. Die Lok pfeift, der Zug verringert seine Geschwindigkeit, und nach einem Rechtsbogen taucht inmitten stämmiger Fichten ein helles Sandsteingebäude auf: wir haben Brünkendorf erreicht. (Bild 6)
Das Stationsgebäude ist neu, entspricht aber in seiner Bauweise weitestgehend seinem historischen Vorbild. Neben einem hier vorhandenen Abstellgleis gibt es auch die Möglichkeit, Züge kreuzen zu lassen. Derzeit wird das Kreuzungsgleis aber auch für die Abstellung von Fahrzeugen genutzt. Da die Züge hier in der Regel etwas Aufenthalt haben, lohnt es sich, einmal auszusteigen und sich etwas umzusehen. Gegenüber dem Bahnsteig befindet sich ein hübscher Rastplatz für Radfahrer. Hier kreuzt der Radweg der „Bischofs-Tour“, welche die Stadt Wittstock mit der Stadt Havelberg verbindet. In seiner Ausführung entspricht der Bahnhof vielen typischen Unterwegsstationen des ehemaligen Kleinbahnnetzes: der Bahnsteig mit dem Stationsgebäude und das nach hinten zurückversetzte Ladegleis. Einst stellte man auf diesem Ladegleis Wagen mit Gütern für die Bewohner der umliegenden Dörfer ab. Zum Beispiel wurden Kohlen früher auf Pferdewagen, später Lkw, umgeladen und dann zu den Konsumenten verbracht.
Jetzt bittet der Zugführer einzusteigen, anschließend setzt der Zug seine Fahrt fort. Kurz nach dem Passieren der letzten Weiche kreuzt die Eisenbahn den Cederbach. Hier befindet sich der einzige originale Wasserdurchlass der alten Strecke. Die Museumseisenbahner nennen diesen Kunstbau – wegen seiner Größe – auch scherzhaft „Cederbachtalviadukt“. Etwa 800 m hinter Brünkendorf beginnt nach einer leichten Rechtskurve ein schnurgerades Streckenstück von 1,2 km Länge. Wenn man einen Platz auf der letzten Bühne des Zuges ergattern konnte, kann man hier aus dem Zug zurückschauend den so genannten „Tunnelblick“ genießen: Ohne Blick nach links und rechts einfach in vollkommener innerer Ruhe die Natur wirken lassen und jeglicher Alltagsstress fällt von einem ab! (Bild 8)
Für die Museumseisenbahner ist dies der Punkt, an dem sie nach der langen Winterpause und den Eindrücken der im Frühling wieder aufblühenden Natur in Gedanken sagen: Wieder in der Prignitz angekommen – Willkommen auf der Museumsbahn!
Auf Dämmen und durch Einschnitte verläuft die Bahntrasse ab hier durch ein großes Mischwaldgebiet. Immer wieder kreuzen Waldwege die kleine Bahn. (Bild 7)
Unterhalb des Elsenberges schlängelt sich der Zug vorbei an weidenden Kühen durch eine bezaubernde Natur, die alljährlich im Mai durch unzählige Rapsfelder immer wieder die Fahrgäste begeistert. Nach einem lang gezogenen Doppelbogen wird die Landschaft wieder offener, und rechts sind schon die ersten Häuser von Lindenberg sichtbar. Der Zug schlängelt sich vorbei an einer Reihe von verschiedenen Laubbäumen, und nach einem Rechtsbogen erreicht dieser dann die ehemalige Abzweigstelle Vettin. Bis zu der Betriebseinstellung im Mai 1969 mündete hier die Bahnstrecke von Pritzwalk in die Strecke von Kyritz nach Perleberg ein. Die Abzweigweiche war dabei stets in Geradeausstellung verschlossen und der Zugführer durfte erst nach telefonischer Zustimmung des Fahrdienstleiters in Lindenberg die Trasse für seinen Zug freigeben. (Bild 9)
Durch den Ausbau der Straße nach der Stilllegung der Bahn wurde die einstige Senke angeglichen und die Fahrbahn um ca. 1,5 Meter angehoben. Von Mai 2004 bis Juni 2006 endeten deshalb die Züge der Museumseisenbahn in einem provisorischen Bahnhof vor der Straße. Erst seit 2007, nachdem der Höhenunterschied durch eine Aufschüttung der Fahrtrasse angeglichen wurde, kann der Zug die Straße queren. (Bild 10)
Die Bahnlinie verläuft weiter in einem westlichen Bogen um den Ortskern herum, und der Zug erreicht nach einem Kilometer sein heutiges Ziel in Lindenberg. So wie bei der Streckeneröffnung 1897 liegt der Bahnhof wieder am Ortsrand. Das ehemalige Bahnhofsareal wurde nach der Streckenstilllegung teils durch Wirtschaftsgebäude bebaut und steht der Museumseisenbahn somit nicht zur Verfügung. Dem neuen Bahnsteig gegenüber stand bis 2012 an der Straße nach Krams der Museumszug mit der Dampflok 99 4644; die Dampflok ist heute im Mesendorfer Lokschuppen für erste Befundungen und Erhaltungsarbeiten untergestellt. Rechts daneben befindet sich das ehemalige Beamtenwohnhaus. Wenn man das neu angelegte Bahnhofsareal in nördlicher Richtung verlässt, erreicht man nach wenigen Metern die von vielen Fotos aus den 1960er Jahren bekannte Häuserzeile „Gasthaus zur Eisenbahn, Kreisparkasse und Staatl. Hirsch-Apotheke“. (Bild 11)
Direkt davor verlief bis 1967 das Streckengleis Lindenberg – Glöwen. Reste davon kann man in dem neuen Gehwegpflaster noch finden: ein Geschenk der DR an den ehemaligen Wirt vom „Gasthaus zur Eisenbahn“ Hermann Kiekbach. In Lindenberg selbst betreibt der Verein seit 1994 das „Prignitzer Kleinbahnmuseum“ im letzten noch erhaltenen Originalgebäude des ehemaligen Durchgangs- und Kreuzungsbahnhofs, der immerhin über 5 durchgehende Gleise verfügte. Hier können neben vielen historischen Ausstellungsstücken auch die einstigen Lindenberger Bahnanlagen im Modell betrachtet werden. (Bild 12)
Der Ort Lindenberg ist ein Straßendorf, das erstmals 1384 erwähnt wurde und zwar unter dem Namen Lintberghe. Im 16. Jahrhundert wechselt die Bezeichnung dann von Lindtbeck zu Lindberk und später zu Lindtberge, ehe 1652 der Name Lindenberg erscheint, der bis heute Bestand hat. Wahrscheinlich nach der Verwüstung durch eine Pest in den Jahren zwischen 1448 – 1514 flohen die Überlebenden auf die Tüchener Berge, wo sie ein neues Dorf errichteten. Der genaue Standort soll sich links vom Weg nach Brünkendorf in Richtung der Straße nach Tüchen befunden haben. Aber schon ab dem Jahre 1540 zogen die Bewohner wieder an die ursprüngliche Stätte zurück, wo sich noch heute das Dorf Lindenberg befindet. Im Mittelpunkt des Dorfes steht die Kirche mit schönem Torbogen. Sie soll im 14. Jahrhundert erbaut sein, der Turm im 15. Jahrhundert. Heute hat der Ort 290 Einwohner (Stand Mai 2016). Für einen längeren Aufenthalt empfiehlt sich die Einkehr in die Gaststätte Lamprecht, die sich in Ortsmitte befindet.
Autoren: Ronald Meissner, Lutz Friedrich
Bearbeitung: Lutz Friedrich